Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) oder in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB)

Projektlaufzeit: 1993 - 1996

Projektbeschreibung

In dem 1997 abgeschlossenen Forschungsvorhaben ging es darum, die Kenntnisse über die Rechtswirklichkeit der Maßregeln der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§63 StGB) und der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) auf eine breitere empirische Grundlage zu stellen. Untersucht wurden Fragen der Anordnung und der Vollstreckung dieser Maßregeln, insbesondere die folgenden Themenbereiche:

  • primäre und nachträgliche Aussetzung sowie bedingte Entlassung aus dem Maßregelvollzug,
  • Reihenfolge der Vollstreckung im Verhältnis zu einer gleichzeitig verhängten Freiheitsstrafe,
  • Übergang in andere Einrichtungen und Nachsorge nach dem Aufenthalt im Maßregelvollzug,
  • Legalbewährung,
  • Widerruf der Aussetzung.

Die Daten stammten überwiegend aus einer Aktenanalyse von insgesamt 678 Strafverfahrensakten aus allen westlichen Bundesländern. Erhoben wurden vier Untersuchungsgruppen, darunter zwei mit Verfahren nach § 63 StGB aus verschiedenen Verurteilungsjahren (1980 und 1986). Eine dritte Stichprobe bezog sich auf Verfahren mit Verhängung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§64 StGB), die vierte auf Verfahren, in denen trotz festgestellter Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) keine Maßregel verhängt wurde. Wichtig ist, dass in die ersten drei Untersuchungsgruppen jeweils Fälle einbezogen wurden, in denen die Maßregel durch das Gericht angeordnet wurde, also nicht nur Maßregelpatienten in den zuständigen Einrichtungen.

Ausgewählte Ergebnisse

Die strafrechtliche Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§63 StGB) erfolgt zum größten Teil wegen schwerer Delikte gegen Personen, wenn man darunter alle Tötungs- und Körperverletzungsdelikte, Sexualdelikte, Brandstiftungen und Raubdelikte versteht. Knapp ein Drittel der aussetzungsfähigen Maßregeln wird primär zur Bewährung ausgesetzt. Im Vollstreckungsverfahren sind über zwei Drittel der Verurteilten nach der Rechtskraft der Bezugsentscheidung im Maßregelvollzug, und sie bleiben dort meist recht lange. Die Hälfte der Maßregelpatienten ist länger als vier Jahre dort; bei langfristiger Betrachtung sind es 13 % mit Aufenthalten von mehr als zehn Jahren.

Dagegen liegen Schwerpunkte der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§64 StGB) auf qualifizierten Eigentumsdelikten und Raubdelikten, aber auch in suchtbezogenen Delikten wie Vollrausch und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Von den aussetzungsfähigen Maßregeln wird hier etwa ein Viertel zugleich mit der Anordnung zur Bewährung ausgesetzt. Die Unterbringungsdauer liegt mit einem Mittelwert von fast zwei Jahren deutlich niedriger als bei der psychiatrischen Unterbringung, erreicht oder überschreitet damit aber nicht selten die vom Gesetz für den Regelfall vorgesehene Höchstfrist.

Veröffentlichungen

  • Dessecker, Axel (1996). Suchtbehandlung als strafrechtliche Sanktion: eine empirische Untersuchung zur Anordnung und Vollstreckung der Maßregel nach § 64 StGB. (Kriminologie und Praxis (KuP); Bd. 19). Wiesbaden: KrimZ. [Online via Digikrimdok]
  • Dessecker, Axel (1997). Straftäter und Psychiatrie: eine empirische Untersuchung zur Praxis der Maßregel nach § 63 StGB im Vergleich mit der Maßregel nach § 64 StGB und sanktionslosen Verfahren. Wiesbaden: KrimZ. (Kriminologie und Praxis (KuP); Bd. 21) [Online via Digikrimdok]