Gründe für Einstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO in Js-Sachen bzw. für freisprechende Urteile in Fällen sexueller Gewalt

Projektlaufzeit: 8/2016 - 8/2022

Projektbeschreibung

Dem am 10. November 2016 in Kraft getretenen 50. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung (50. StrÄndG), welches sich im Wesentlichen auf eine grundlegende Änderung des § 177 StGB beschränkte, war die sogenannte Schutzlückendebatte vorausgegangen.

In dieser wurde die Ansicht vertreten, es gebe insofern eine Schutzlücke – also einen straffreien, aber als strafwürdig erachteten Sachverhalt –, als keine Strafbarkeit nach § 177 StGB eintrat, wenn es zu sexuellen Handlungen gegen den Willen Betroffener kam, dies aber nicht mit einer Nötigung verbunden war. Die Forderung, die Lücke zu schließen, verband sich mit der schon länger schwelenden Diskussion um vermeintlich zu niedrige Verurteilungsquoten in Fällen sexueller Gewalt und führte zu dem Schluss, dass letztere zumindest in erheblichem Maße auf der Justiz bekannte, von ihr aber nicht sanktionierbare Schutzlückenfälle zurückzuführen seien, mithin Einstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO bzw. freisprechende Urteile fehlender Strafbarkeit geschuldet seien.

Dabei ließ das Gesetzgebungsverfahren erkennen, dass sich mit der Zeit bloße Annahmen zu vermeintlichen Gewissheiten verfestigt hatten, ohne dass diesen empirisch-kriminologische Befunde zugrunde lagen. So hatte eine Sekundäranalyse gezeigt, dass in etlichen einschlägigen Verlaufsstudien zwar auch der Grund für die jeweils verfahrensbeendende Entscheidung erhoben worden war. Aber dieser Ansatz, bei dem der Verlauf des einzelnen Verfahrens ab polizeilicher Kenntnis erfasst wird, führt dazu, dass von den anfänglich berücksichtigten Fällen nur noch ein geringer Teil auf Einstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO gegen bekannte Tatverdächtige bzw. auf Freisprüche entfällt.

Für die hiesige Untersuchung wurden deshalb von allen bundesweit 115 Staatsanwaltschaften Einstellungsverfügungen nach§ 170 Abs. 2 StPO in Js-Sachen bzw. freisprechende Urteile in Fällen sexueller Gewalt (§ 177 StGB a. F.) erbeten, um diese im Hinblick auf ihre Begründungen zu analysieren. Da sich schon bei den ersten erhaltenen Dokumenten zeigte, dass diese größtenteils ertragreicher waren als erwartet, wurde die Gelegenheit ergriffen, die führende Fragestellung zu ergänzen. So wurden zusätzliche Daten etwa zur amtlichen Kenntnis vom Tatvorwurf, zum Tatgeschehen, zu den Ermittlungshandlungen oder der Hauptverhandlung erhoben.

Die Veröffentlichung der Ergebnisse zu den Einstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO sowie zu den freisprechenden Urteilen erfolgte in zwei Publikationen. Die erste erschien im Frühjahr 2021, die zweite im Sommer 2022.

Veröffentlichungen

Elz, Jutta (2017). Verurteilungsquoten und Einstellungsgründe - was wissen wir tatsächlich? In Rettenberger, Martin & Dessecker, Axel (Hrsg.), Sexuelle Gewalt als Herausforderung für Gesellschaft
und Recht (S. 117 - 141). Wiesbaden: KrimZ.  [Download PDF]

Elz, Jutta (2021). Verfahrenseinstellungen nach § 170 II StPO in Fällen sexueller Gewalt. Tatvorwürfe, Ermittlungshandlungen, Abschlussentscheidungen. Wiesbaden: KrimZ. (BM-Online ; Bd. 26).
ISBN 978-3-945037-38-6
[Download PDF]

Elz, Jutta (2022). Freisprechende Urteile in Fällen sexueller Gewalt. Wiesbaden: KrimZ. (BM-Online ; Bd. 32).
ISBN 978-3-945037-45-4
[Download PDF]

Ansprechpartnerin
Jutta Elz